Der große Rhythmus

 

durch das Jahr

 

Die Jahreszeiten mit ihren zugehörigen Jahresfesten geben unserem Kindergartenjahr die zeitliche Orientierung. Rhythmus als naturgegebenes Geschenk erleben wir sowohl in den großen Rhythmen der Natur außer uns selbst - in Tag und Nacht, in den Jahreszeiten, im Wechsel von Ebbe und Flut usw. - als auch in den Rhythmen in uns Menschen, am deutlichsten spürbar in Herzschlag und Atem.

Besonders die Kinder brauchen, um sich gesund entwickeln zu können, eine Orientierung und Sicherheit vermittelnden Rhythmus, am Tag, in der Woche und auch übers Jahr.

Sie leben noch nicht nach der Uhr und dem Kalender, sie erleben die Welt noch nicht in Quantitäten sondern ganz unmittelbar und in Qualitäten. Sommer, Herbst, Winter und Frühling mit ihren Gegensätzlichkeiten und ganz unterschiedlichen Erlebnismöglichkeiten bilden den roten Faden durch unser Kindergartenjahr. Die Meilensteine in diesem Ablauf sind die Jahresfeste. Oft sind es längere Festezeiten, an deren Vorbereitung und Durchführung die Kinder unmittelbar beteiligt sind. Wir erleben gemeinsam die allmähliche Vorbereitung, den Festtag als Höhepunkt und lassen das Geschehen noch eine Weile ausklingen.

Das Erntefest, Michaeli, die Laternenzeit (St. Martin), Nikolaustag, Advent und Weihnachten. Nach dem Jahreswechsel dann folgen die Drei-Königszeit, Fasching, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten und Johanni sowie das Sommerfest alle Feste geben vielfältige Möglichkeiten für passende Lieder, Fingerspiele, Geschichten, Werk-, Bastel- und Küchentätigkeiten sowie Anregungen zu Rollen- und Puppenspielen.

 

Fast jeder Monat ist geprägt durch eine besondere, jeweils andere Festestimmung. Der September mit dem Erntefest soll hier als exemplarisches Beispiel ausführlicher

beschrieben werden. Etwa drei Wochen vor dem Fest beginnt jeder Tag zunächst mit dem Ausdreschen von Weizen- und Roggenähren. Dazu setzen sich die Kinder mit einer Erzieherin um den Dreschplatz. Dort ist ein großes Tuch am Boden ausgebreitet. An jedem Platz steht eine Holzscheibe und ein Holzklötzchen. Damit werden nun die bereitliegenden Ähren aus-

gedroschen, die Spelzen vorsichtig weggeblasen. Die Körner werden sorgsam in eine Schale gesammelt. Dazu erklingt ab und zu das Drescherlied. Es entsteht eine eifrig-konzentrierte Schaffensatmosphäre. Nach etwa 2o Minuten wird gemeinsam der Platz aufgeräumt, so geht nun etwa zwei Wochen lang jeden Morgen. Das Mitmachen ist freiwillig - aber am Ende haben auch die hartnäckigsten Zuschauer einen Einstieg gefunden und mitgeholfen das große Körnerglas zu füllen.

Ebenfalls während des Freispiels binden wir in dieser Zeit aus allen vier Getreidesorten eine Erntekrone. Im Reigen erleben wir ca. drei Wochen lang in darstellend-künstlerischer Form mit Liedern, Gedichten und den passenden Bewegungen den Werdegang des Getreides vom Korn zum Brot. Hierbei handelt es sich um eine von den Erwachsenen geführte Spieleinheit in die Kinder nachahmend einsteigen, jedes auf seine Art und nach seinem Vermögen. Die so wichtige Nachahmungstätigkeit wird hierbei gestärkt, Grob - und Feinmotorik angesprochen, die Sprachentwicklung ebenso angeregt wir auch die Phantasie - um nur einige Förderaspekte zu nennen.

Sind genug Körner beisammen wird nun täglich gemahlen, mit Kaffeemühlen zunächst und später auch mit der großen Handmühle. Alle Kraft wird dazu gebraucht, immer wieder sind die Kinder fasziniert von der Verwandlung der Körner zu Mehl und Schrot. Am Tag des Erntefestes wird dann daraus gemeinsam ein leckeres Erntebrot bereitet.

Aus dem Gemüse, das in liebevoll geschmückten Erntekörbchen mitgebracht wurde, kochen wir eine würzige Suppe, aus dem Obst wird ein köstlicher Nachtisch hergestellt. Dann nehmen wir gemeinsam an der mit Blumen und kerzengeschmückten Tafel unser Festessen ein.

Kulinarische Erntefülle erleben wir dann noch einige Tage nach dem Fest bis alles Mitgebrachte verarbeitet und verzehrt ist. So erleben und durchleben die Kinder in längeren komplexen Prozessen Welt- und Kulturzusammenhänge, entwickeln und schulen wie nebenbei Fein- und Grobmotorik, Geschicklichkeit und Konzentration Ausdauer, Spielfähigkeit und Phantasie, Bewegungs- und Sozialkompetenz, Sprechfähigkeit und Sprachverständnis, die Sinne und die Wahrnehmungsfähigkeit.